Wenn du jemandem die Augen öffnen möchtest ...
- Marion Schimmelpfennig

- 14. Aug.
- 2 Min. Lesezeit

Wenn wir jemanden lieben – als Freund, Mutter, Tochter, Partner oder Kollege – und zusehen müssen, wie dieser Mensch langsam in einer destruktiven Beziehung zerbricht, erleben wir eine der schmerzhaftesten Ohnmachtserfahrungen überhaupt. Wir möchten ihn wachrütteln, schützen, retten. Wir erkennen die Muster, spüren die Angst, hören die Entwertungen zwischen den Zeilen. Und je mehr wir sehen, desto verzweifelter wird unser Wunsch, endlich durchzudringen.
Doch so einfach ist es nicht. Wer in einer Beziehung mit einem Narzissten lebt, ist nicht nur verwirrt oder unsicher. Er ist tief gebunden – emotional, psychologisch, oft auch körperlich oder existenziell. Das nennt man Trauma-Bindung. Das Nervensystem ist permanent im Überlebensmodus. Die Angst, verlassen zu werden, ist größer als die Angst, missachtet oder zerstört zu werden. Kritik fühlt sich nicht wie Hilfe an, sondern wie Verrat. Und selbst wenn jemand „alles“ sieht, bedeutet das noch lange nicht, dass er auch gehen kann.
Wenn du jemanden liebst, der in so einer Beziehung steckt, kannst du im Außen vielleicht wenig tun. Aber du kannst im Inneren viel bewirken: indem du zuhörst, ohne zu drängen. Indem du bleibst, ohne zu retten. Indem du ein Gegenpol wirst – geduldig, klar, sanft. Und indem du Worte teilst, die keinen Druck machen, sondern Spuren hinterlassen. Vielleicht ist dein Kommentar nicht der Auslöser – aber vielleicht ein erster Lichtstrahl.
Und wenn du selbst dich in so einem Artikel wiedererkennst, aber noch nicht gehen kannst, dann sei versichert: Du bist nicht blind, nicht dumm, nicht schwach. Du wurdest manipuliert und bist dadurch emotional gebunden – auf eine Weise, die sich aber auch lösen lässt. Schritt für Schritt. Und irgendwann wirst du die Kraft finden, nicht nur wegzuschauen – sondern auch auf- und auszubrechen.




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