Weiß der Narzisst, was er tut?
- Marion Schimmelpfennig
- 12. Aug.
- 2 Min. Lesezeit

Die Frage klingt harmlos, ist aber ein Schlüsselloch in das Innenleben eines Narzissten. Viele Betroffene möchten glauben, dass der Narzisst gar nicht wisse, was er anrichtet – dass seine Grausamkeit auf einem inneren Mangel beruht, seine Lügen ein Symptom kindlicher Not sind. Doch das ist Wunschdenken.
Es gibt wissenschaftliche Hinweise darauf, dass Narzissten sehr wohl wissen, wer sie sind und was sie tun. An der Ohio State University entwickelte man 2014 einen Test, der aus nur einer einzigen Frage bestand: „Wie sehr stimmen Sie der Aussage zu: Ich bin ein Narzisst?“ Die Befragten sollten sich auf einer Skala von 1 bis 7 selbst einschätzen. Überraschendes Ergebnis: Die Antworten korrelierten statistisch stark mit komplexen Testverfahren zur Messung narzisstischer Merkmale. Wer ein Narzisst ist, weiß es – und hat oft nicht das geringste Problem, sich dazu zu bekennen.
Brad Bushman, Mitautor der Studie, erklärte: „Narzissten sehen ihren Narzissmus nicht als Schwäche, sie empfinden ihn als Stärke. Sie glauben, anderen überlegen zu sein – und sie sagen das auch laut.“ Narzissten sind stolz auf ihre Haltung. Stolz auf ihre Fähigkeit, andere zu manipulieren. Stolz auf ihre emotionale Kälte. Stolz darauf, Regeln zu brechen, solange sie selbst profitieren.
Natürlich bedeutet das nicht, dass sie in jedem Moment voll reflektiert handeln. Narzissten lügen so oft, dass sie ihre eigenen Geschichten manchmal selbst glauben – jedenfalls im Augenblick des Aussprechens. Ihre Wahrnehmung ist verzerrt. Doch ihre Anpassungsfähigkeit spricht eine andere Sprache: Sie verhalten sich im Gespräch mit der Chefin anders als mit der Ex-Partnerin, sie wechseln Gesichter je nach Bühne, sie wissen genau, wo welche Maske funktioniert. Und allein das reicht als Beweis.
Sie wissen, dass sie wehtun. Sie wissen, dass sie entwerten. Und sie sind zutiefst überzeugt davon, dass sie das dürfen – weil sie es verdient haben, weil sie mehr wert sind, weil sie über anderen stehen. Ihre fehlende Reue ist keine Tragödie, sie ist eine Entscheidung.
Wenn du diesen Text liest und immer noch hoffst, er würde sich ändern, wenn er nur endlich erkennt, was er dir angetan hat – dann lies ihn bitte noch einmal. Oder lies dir diese original Zitate von Narzissten durch:
„Meine Frau anzulügen, ist notwendig. Ich tue es und habe kein schlechtes Gewissen dabei. Schlecht gefühlt habe ich mich nur dann, wenn ich mich entschlossen hatte, ihr doch mal etwas anzuvertrauen. Denn das hat sie immer gegen mich verwendet.“
„Ich unterbreche mein Gegenüber regelmäßig, lenke gezielt ab und so weiter. Ich kann mich danach auch sehr einsichtig zeigen und mich entschuldigen, das ist aber in der Regel aufgesetzt.“
„Manchmal lasse ich jemanden absichtlich ins Messer laufen, damit sich derjenige blamiert, denn das amüsiert mich und zeigt eben, dass ich schlauer bin, und dann sage ich einfach, dass ich es anders gemeint habe.“
„Ich bin exzellent darin, menschliche Bedürfnisse und Gefühle zu erkennen, auch wenn ich sie letztendlich für meinen eigenen Vorteil nutze und die Gefühle nicht selbst fühle.“
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