Was ich auf dem Weg durch die Hölle gelernt habe – Teil 3: Die Ernüchterung nach der Hochzeit
- Marion Schimmelpfennig
- vor 6 Tagen
- 2 Min. Lesezeit

Durch seine Manipulation wusste ich natürlich nicht, dass ich manipuliert war. Ich hatte keine Landkarte für so etwas, kein inneres Warnsystem, das mir das hätte sagen können. In meiner Welt belügt man den Menschen nicht, den man angeblich liebt. Schon gar nicht in grundlegenden Dingen. Ich konnte mir schlicht nicht vorstellen, dass jemand, der mit mir sein Leben teilen wollte, mir bewusst und wiederholt die Unwahrheit sagte – oder mich absichtlich täuschte.
Also suchte ich nach Erklärungen, die weniger wehtaten. Vielleicht war es ein Missverständnis. Vielleicht hatte er Angst, mir die Wahrheit zu sagen. Vielleicht war er einfach im Stress. Ich bastelte mir Geschichten, die sein Verhalten erklärten – und damit entschärfte ich die Realität so lange, bis ich sie gerade noch ertragen konnte.
Und so heiratete ich ihn. Nicht naiv, wie manche vielleicht denken, sondern in der Hoffnung – oder im tiefen Glauben – dass er sich dann sicherer fühlen und sich gewisse Dinge mit der Zeit ändern würden. Dass die Unruhe, die Unsicherheiten von allein verschwinden würden, wenn wir ein festes Fundament hätten.
Doch das Gegenteil passierte. Nur wenige Wochen nach der Hochzeit wurden die Unzuverlässigkeiten, Lügen und das Hintergehen nicht weniger, sondern häufiger, plumper, dreister. Ich sprach ihn mehrmals darauf an, nicht vorwurfsvoll, sondern zutiefst ernst, oft unter Tränen. Ich sagte ihm, dass wir große Probleme bekommen würden, wenn es so weiterging. Jedes Mal versprach er mir, „alles zu tun, denn er liebe mich ja so sehr“. Und jedes Mal blieb alles beim Alten.
Was ich erst viel später begriffen habe: Es ist kein Zufall, dass nach einer Hochzeit oder einem anderen großen Bindungsschritt viele Narzissten ihr wahres Gesicht zeigen. Solange sie noch um dich „werben“ müssen, halten sie die Fassade aufrecht. Sobald sie dich jedoch als sicher gebunden ansehen – durch Ehe, gemeinsames Eigentum oder Kinder – fällt diese Fassade oft abrupt. Die Maskerade wird überflüssig, und das wahre, oft kontrollierende und verletzende Verhalten tritt unverblümt zutage.
Ich hätte es sehen müssen – und doch wollte ich nicht hinsehen. Ich steckte den Kopf in den Sand. Ich erzählte mir, dass es nur eine schwierige Phase war, dass er Zeit brauchte, dass wir einfach noch mehr reden müssten. Ich hielt mich an den guten Momenten fest wie ein Ertrinkender an einem Stück Holz. Rückblickend weiß ich, dass genau diese Mischung aus Hoffnung, Selbstzweifeln und Bindung an die angeblich schönen Augenblicke das ist, was viele Opfer in toxischen Beziehungen gefangen hält.
Man erkennt die Wahrheit oft viel früher, als man glaubt. Aber sie zuzulassen bedeutet, eine Entscheidung zu treffen – und für die fühlt man sich in dieser Phase noch nicht stark genug. Also lebt man in diesem Zwischenraum, halb in der Realität, halb in der Illusion, und hofft, dass eines Tages etwas geschieht, das die Entscheidung für einen trifft.
Und genau dieser Moment kam bei mir – nur völlig anders, als ich es mir vorgestellt hatte.
Darüber schreibe ich in Teil 4.
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