Was ich auf dem Weg durch die Hölle gelernt habe – Teil 2: Die Illusion bekommt Risse
- Marion Schimmelpfennig
- 9. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Zu Ostern 2022 zog er bei mir ein, und da er kaum über eigene Mittel verfügte, zahlte ich Flüge, Unterkunft, Kleidung, Essen – und all das in dem Gefühl, einer Partnerschaft Raum zu geben, die mich im Gegenzug auf anderen Ebenen tragen würde.
Die Gespräche, die mich anfangs so berührt hatten, wurden seltener und weniger tief. Stattdessen entstand etwas anderes – eine gemeinsame Idee, die zu einer Geschäftsidee wurde, und die mir das Gefühl gab, endlich mit einem Partner auf Augenhöhe etwas aufbauen zu können. Er hatte viel Erfahrung im Aufbau internationaler Unternehmen, sagte er. Er wisse, wie man Investoren gewinnt, erklärte mir, dass ich keinerlei eigenes Kapital benötigen würde, und sprach in einer Selbstverständlichkeit davon, wie sein umfangreiches Wissen und mein Engagement sich perfekt ergänzen würden.
Ich gründete die Firma – getragen von dem, was ich für verlässliche Kompetenz hielt. Was tatsächlich geschah, war das Gegenteil. Die versprochenen Investoren tauchten nie auf, wurden jedoch regelmäßig durch neue Ausreden ersetzt. Immer war irgendetwas noch nicht reif, noch nicht spruchreif, nicht stabil genug. Rückblickend erkenne ich, wie gezielt er sich meiner Fähigkeiten und finanziellen Mittel bedient hat – mit Hilfe klassischer Manipulationstechniken wie Zukunftsversprechen, Gaslighting und Schuldumkehr. Immer war ich es, die angeblich zu ungeduldig, zu kritisch oder zu misstrauisch war, wenn ich wissen wollte, warum Dinge nicht vorankamen.
Während ich darauf wartete, dass sich das erfüllt, was er mir zugesichert hatte, arbeitete ich mehr und mehr. Anfangs voller Tatendrang, später zunehmend erschöpft und ernüchtert, denn er selbst tat einfach nicht das, was erforderlich war. Im Grunde genommen zeigte er sich arbeitsscheu. Und er hatte für alles eine Erklärung. Warum dies noch nicht notwendig sei, warum jenes noch zu früh komme, warum man sich auf bestimmte Schritte jetzt noch nicht konzentrieren müsse. Gespräche mit Geschäftspartnern wurden zu peinlichen Vorstellungen, weil er sich nie auf solche Gespräche vorbereitete.
Ich versuchte, seine Faulheit und Inkompetenz auszugleichen. Ich funktionierte. Ich war es gewohnt, viel zu leisten, auch ohne Hilfe, und hielt meine Erschöpfung zunächst für normalen Gründungsstress. Erst nach und nach wurde mir bewusst, dass meine Belastung längst in Überlastung umgeschlagen war. Ich wurde aggressiv, depressiv, verzweifelt, bekam immer häufiger Kreislaufprobleme, litt unter Schlaflosigkeit, mein Blutdruck schnellte plötzlich in ungeahnte Höhen, und mehrfach musste ich nachts in die Notaufnahme – mit Symptomen, die niemand einordnen konnte, die aber alle auf dasselbe hinwiesen: Mein Körper begann, die Reißleine zu ziehen.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Worte für das, was da geschah. Ich spürte nur, dass etwas nicht stimmte. Dass mein Alltag sich nicht mehr gesund anfühlte. Dass meine Gedanken sich im Kreis drehten. Dass ich nicht mehr zur Ruhe kam. Und dass die Sicherheit, die ich so dringend gebraucht hätte, nirgends zu finden war.
Fortsetzung folgt.

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