Was ich auf dem Weg durch die Hölle gelernt habe – Teil 1: Die perfekte Illusion
- Marion Schimmelpfennig
- 8. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Im Januar 2020 starb mein lieber Mann Jo in Paraguay – und mit ihm verschwand das Gefühl fester Erde unter meinen Füßen; dennoch funktionierte ich weiter, regelte den Nachlass, hielt den Kopf über Wasser und zog Mitte 2021 nach Spanien, überzeugt, dass ein Tapetenwechsel wenigstens die äußere Welt in Bewegung bringen würde, wenn mein Inneres schon erstarrt war. Gegen Ende desselben Jahres überredete mich eine Freundin, eine Dating‑App auszuprobieren – nicht, um die große Liebe zu finden, denn daran hatte ich damals kein Interesse, sondern um nette Menschen kennenzulernen. Doch dann begegnete mir dort ein deutscher Witwer – höflich, voller scheinbarer Empathie; wochenlang redeten wir, oft bis tief in die Nacht, und jedes Wort, das er sprach, spiegelte fast verdächtig perfekt das wider, was ich mir nach Jos Tod am meisten wünschte: einen ruhigen Hafen, jemanden, der Verantwortung mitträgt, der mir die Last wenigstens für ein paar Atemzüge von den Schultern nimmt.
Als er schließlich zum ersten Mal nach Spanien kam, fühlte sich alles an wie ein Märchen, als hätte das Universum beschlossen, mir noch einmal eine große, milde Geste zu schenken. Erst viel später begriff ich, dass ich mitten in einer klassischen Love‑Bombing‑Phase steckte: Er setzte Reize, Dosis für Dosis, immer abgestimmt auf meine Sehnsucht nach Sicherheit, wechselte zwischen überschwänglicher Zuneigung und strategischer Zurückhaltung, sprach bei heiklen Themen gerade so zögerlich, dass ich unbedingt noch ein Gespräch mehr führen wollte, um ihn wirklich zu verstehen. Wenn mir etwas seltsam vorkam, erklärte er es eloquent weg, bediente sich halber Wahrheiten und drapierte sie in glänzenden Worten, bis meine Intuition schwieg und ich stattdessen seiner Version vertraute.
Psychologisch betrachtet verließ er sich dabei auf zwei Kerntechniken: das sogenannte Spiegeln – er präsentierte sich als genau der Mensch, dessen Werte, Interessen und Zukunftsbilder meine eigenen zu reflektieren schienen – und das subtile Gaslighting, bei dem kleine Zweifel als unbegründete Empfindlichkeiten dargestellt wurden, wodurch sich meine Wahrnehmung Schritt für Schritt gegen mich selbst richtete. In dieser Phase ahnte ich nicht, dass emotionaler Missbrauch selten laut oder plump beginnt; er tarnt sich als Verbindlichkeit, als geteilte Verletzlichkeit, als sanfte Hand, die scheinbar hält, während sie in Wahrheit tastet, wie viel sie greifen kann. Erst nach der Trennung, als der Nebel sich langsam lichtete, bemerkte ich, dass er sich bereits damals Geld genommen hatte, ohne dass ich es merkte –, und sah plötzlich klar, dass das, was ich für Liebe gehalten hatte, präzise kalkulierter Diebstahl, Betrug gewesen war.
So begann meine eigentliche Reise: nicht das schlichte Überleben nach Jos Tod, sondern das Wieder‑Zusammensetzen dessen, was ein charismatischer, aber zutiefst manipulativer Mann Stück für Stück zerlegt hatte – mein Selbstvertrauen, meine Intuition, mein Gefühl für finanzielle wie emotionale Grenzen. Und genau davon werde ich erzählen, Stück für Stück, denn erst wenn wir verstehen, wie sanft Machtmissbrauch sich ins Herz schleicht, begreifen wir, warum Aufwachen weh tut, aber letztlich die einzige Rettung ist.

Warum erzählst du die Geschichte nicht so, wie sie sich tatsächlich zugetragen hatte?