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Warum so wenige Narzissten in Therapie gehen

  • Autorenbild: Marion Schimmelpfennig
    Marion Schimmelpfennig
  • 22. Mai
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 6. Aug.


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Manchmal werde ich gefragt, ob sich Narzissten eigentlich auch Hilfe suchen. Die kurze Antwort: fast nie.


Denn der typische Narzisst empfindet sich nicht als problematisch. Er empfindet andere als zu empfindlich, fordernd, schwierig oder illoyal. Sein eigenes Leiden – Einsamkeit, Konflikte, Isolation – erlebt er oft als Folge der Welt, nicht als Ergebnis seiner eigenen Strukturen. Deshalb sucht er auch keine Veränderung, sondern Entlastung. Und eine Bühne.


Studien zeigen: Nur ein sehr kleiner Teil der Personen mit stark narzisstischen Mustern begibt sich überhaupt in psychotherapeutische Behandlung (vgl. Ronningstam, 2005; APA, DSM-5). Und selbst dann nicht deshalb, weil sie ihr Verhalten als destruktiv erkennen, sondern weil sie unter den Folgen leiden – Depression, Angst, Beziehungsverlust. Oder, wie in vielen Fällen, weil ein äußerer Druck besteht.


Ein häufiger Fall: Der Partner oder die Partnerin setzt eine Paartherapie durch – in der Hoffnung, endlich gehört oder verstanden zu werden. Der Narzisst stimmt manchmal zu, vor allem dann, wenn er um das Ende der Beziehung fürchtet oder sein Image wahren will. Aber selten bleibt er dabei. Sobald Kritik aufkommt, wird sie als "Partei-Ergreifen" empfunden, die Therapeutin als „nicht neutral“ diffamiert, das Setting als „ungeeignet“ dargestellt. Irgendwann bricht er ab – mit Worten wie „das bringt nichts“ oder „die ist doch gegen mich“.


Mein eigener Ex-Partner begab sich letztes Jahr in Therapie. Der Anlass war nicht etwa Einsicht, Schuld oder Bedauern, sondern eine strategische Hoffnung: Wir vermuteten Spielsucht, und er wollte genau diese Diagnose – in der Hoffnung, sie vor Gericht als mildernden Umstand im laufenden Betrugsverfahren verwenden zu können. Als ihm die Therapeutin keine solche Diagnose stellte, brach er die Therapie ab. Seine Selbstdiagnose: „Ich habe keine Spielsucht.“


Das ist typisch. Sobald die gewünschte Spiegelung fehlt, verschwindet auch das Interesse.


Narzissten erleben Kritik nicht als Chance zur Entwicklung, sondern als Angriff auf ihr fragiles Selbstbild. In der Psychodynamik spricht man hier von der "narzisstischen Wunde" – jede Konfrontation mit der eigenen Verantwortung löst Scham, Angst und Abwehr aus. Deshalb ist ehrliche Selbsterkenntnis bei ausgeprägtem Narzissmus so extrem selten.


Die Therapeuten Otto Kernberg und Elsa Ronningstam, beide Experten auf diesem Gebiet, beschreiben, dass viele Narzissten entweder zu früh abbrechen oder die gesamte Therapiebeziehung manipulieren – indem sie das Gegenüber idealisieren, abwerten oder gegeneinander ausspielen.


Veränderung wäre möglich – aber nur, wenn der Betroffene ohne Publikum, ohne Etikett, ohne Ausrede in den Spiegel schaut. Das passiert so gut wie nie.


Und genau deshalb ist es für Opfer so wichtig zu verstehen: Du wirst ihn nicht retten. Nicht durch Liebe. Nicht durch Nachsicht. Und schon gar nicht, indem du wartest. Narzissten ändern sich nicht, weil du sie durchschaut hast. Sie ändern sich nur, wenn sie sich selbst durchschauen – und das ist genau das, was sie am meisten fürchten.


Willst du tiefer einsteigen?

Meine Blogbeiträge geben dir Einblicke und Impulse – im Coaching können wir genau auf deine persönliche Situation schauen. Gemeinsam finden wir Klarheit, lösen alte Verstrickungen und stärken dich für deinen Weg zurück in ein freies, selbstbestimmtes Leben.


(Wenn ich "der Narzisst" schreibe, sind stets beide Geschlechter gemeint. Ich gendere nicht, weil es den Lesefluss stört.)

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