"Ich bekomme immer, was ich will"
- Marion Schimmelpfennig
- 1. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Aug.

Wenn der Narzisst stolz sagt: “Ich bekomme immer, was ich will!” Und doch Zeit seines Lebens immer wieder alles verloren hat ...
„Ich bekomme immer, was ich will“, sagte mein Ex oft, und in den ersten Monaten glaubte ich ihm sogar. Es klang kraftvoll, überzeugend, fast schon beneidenswert – wie jemand, der weiß, wie das Leben funktioniert, während andere sich abstrampeln.
Er erzählte, dass er schon als Kind alles bekommen habe – immer den größten Teller am Tisch, besondere Aufmerksamkeit, Sonderbehandlung. Auf den ersten Blick wirkt das wie ein Glücksfall. Doch rückblickend wurde mir klar: Er war das, was man ein „goldenes Kind“ nennt. Ein Kind, das idealisiert, überhöht und instrumentalisiert wird, anstatt gesehen und geliebt zu werden. Ein Kind, das nicht um seiner selbst willen wertvoll ist, sondern weil es ein bestimmtes Bild aufrechterhält, das den Eltern nützt.
Wenn ein Kind früh lernt, dass Zuwendung nicht frei fließt, sondern an Leistung, Eindruck oder Überlegenheit gekoppelt ist, dann entsteht kein gesundes Selbstwertgefühl. Stattdessen wächst in ihm ein Vakuum, das es irgendwann zu füllen versucht – oft mit Macht, Kontrolle oder Bewunderung. Es entsteht eine narzisstische Struktur – als Überlebensstrategie. Die Überzeugung, immer zu bekommen, was man will, wird dann zur Ersatzreligion. Sie ersetzt Nähe, Sicherheit und emotionale Wärme durch das Versprechen, sich durchsetzen zu können – koste es, was es wolle.
Doch so oft er diesen Satz sagte – „Ich bekomme immer, was ich will“ – so deutlich war auch, dass er in seinem Leben immer wieder alles verloren hatte. Alles. Beziehungen, Freundschaften, Vertrauen, berufliche Chancen, finanzielle Sicherheit. Was er bekam, hielt nie. Was er festhalten wollte, zerrann ihm zwischen den Fingern. Und was wirklich wichtig war, ließ er gehen, ohne es überhaupt zu bemerken.
Was wie Selbstsicherheit aussieht, ist nur eine sorgfältig gepflegte Illusion, die das Gegenteil überdecken soll. Wer ständig dafür sorgen muss, die Kontrolle zu behalten, wer um jeden Preis gewinnen muss, lebt in einem Zustand dauerhafter Anspannung. Beziehungen werden zu Bühnen, auf denen bewiesen werden muss, dass man überlegen ist.
Heute höre ich diesen Satz mit anderen Ohren. Er klingt nicht mehr beeindruckend. Er klingt einsam. Denn „Ich bekomme immer, was ich will!“ heißt in Wahrheit: „Ich zerstöre alles, was mich bedroht – und nenne das Erfolg.“ „Ich will nur Kontrolle, Bewunderung, Macht. Und die hole ich mir mit Lügen, Druck oder Drama.“
Hinter diesem Satz steckt im Grunde pure Verzweiflung. Denn was bleibt jemandem, der nur dann „gewinnt“, wenn andere verlieren?
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