[1] Klaus T.: "„Ich hab nur genommen, was mir zustand“
- Marion Schimmelpfennig
- vor 4 Tagen
- 2 Min. Lesezeit

[In dieser Artikelreihe gebe ich Menschen das Wort, die narzisstische und/oder psychopathische Züge tragen. Sie erzählen mit ihren eigenen Worten, wie sie denken, fühlen und handeln. Mir ist bewusst, dass das verstörend wirken kann. Doch genau deshalb ist es wichtig: Nur wenn wir verstehen, wie solche Menschen ihre Welt sehen, erkennen wir die Mechanismen, die uns so oft gefangen halten.]
Ich heiße Klaus.
Ich weiß noch genau, wie es war, als ich Geld hatte. Richtiges Geld. Dieses Gefühl, wenn du in ein Restaurant gehst und die Karte nicht einmal lesen musst, weil du sowieso alles bestellen kannst. Wenn die Leute dich ansehen und sofort merken, dass du jemand bist, obwohl du vielleicht nur Flipflops trägst. Das gibt dir eine Sicherheit, die man nicht beschreiben kann – du atmest anders, gehst anders, selbst dein Lächeln ist ein anderes. Für mich war das normal. Ich habe nie gezweifelt, dass mir dieses Leben zusteht.
Natürlich ging einiges schief. Geschäfte sind riskant, und manchmal ziehen dich die falschen Leute rein. Am Ende saß ich im Gefängnis – als Betrüger abgestempelt! Dabei wollte ich nur Möglichkeiten nutzen, die andere nicht gesehen haben. Ich sage bis heute: das war völlig unnötig und nicht fair. Aber wenn dein Name einmal verbrannt ist, interessiert sich niemand mehr für die Wahrheit. Die Justiz braucht Abschlüsse, keine Gerechtigkeit.
Und jetzt Winnie. Wir haben uns bei einem Konzert getroffen – sie mit einer Freundin, ich alleine. Ich habe sie gleich bemerkt. Sie hat diese Mischung aus Stärke und Unsicherheit, die spannend ist. Ich wusste sofort: die passt zu mir. Ich hätte auch eine andere genommen, weil ich zu dieser Zeit ziemlich allein war, aber sie wirkte eben besonders "zugänglich". Ich kann es nicht anders erklären. Also habe ich ihr erzählt, dass ich viel unterwegs bin, geschäftliche Kontakte in Russland habe, gerade ein Projekt vorbereite. Das ist ja auch nicht falsch, nur eben noch nicht alles spruchreif. Aber man erzählt doch beim Kennenlernen auch nicht gleich jede Einzelheit, oder?
Wir haben zusammen etwas getrunken, ich hab ihr tief in die Augen gesehen, und sie hat gelacht, als hätte sie nur darauf gewartet. Ich habe ihr von meiner Vergangenheit erzählt, dass ich schon einmal einiges aufgebaut habe, dass es Fehler gab, ja, aber dass ich daraus gelernt habe. Das Wort „Gefängnis“ habe ich nicht erwähnt – warum auch? Das würde sie nur unnötig verunsichern. Manche Dinge brauchen ihren richtigen Zeitpunkt.
Winnie ist genau das, was mir jetzt gut tut. Sie strahlt mich an. Sie versteht mich. Sie stellt Fragen, aber nicht misstrauisch, eher interessiert. Sie will Antworten, die ihr ein gutes Gefühl geben – und das ist doch normal in einer Beziehung. Also gebe ich ihr das. Sie glaubt mir, wenn ich sage, dass ich wieder groß im Geschäft sein werde. Und sie sieht, dass ich ihr etwas bieten kann, was sie noch nie hatte: ein Leben mit mehr Sicherheit, mehr Möglichkeiten.
Ich weiß, dass sie anbeißt. Nicht, weil ich sie zwinge, sondern weil es für sie genauso gut passt wie für mich. Kleine Lücken in einer Geschichte – die gibt es doch immer. Aber am Ende bleibt das Gefühl. Und das ist das, was zählt.
Apropos erzählen: Ich erzähle demnächst weiter.
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